Böden sind ein komplexes Thema. Ihre Bildung ist von vielen Faktoren abhängig, aber die Bodenbildung ist nicht nur im Feld ein komplexes Thema, sondern auch in der Lehre. Auf der Jahresexkursion 2024 wurden deshalb die zentralen Knotenpunkte für bodenkundliche Forschung und Lehre beim Besuch mehrerer Bildungseinrichtungen in der Westschweiz behandelt. 

Die zweitägige Exkursion begann an der Agroscope in Changins, in der wir nach der Begrüssung einen ersten Überblick  in aktuelle Forschungsprojekte erhielten. Nach den Vorträgen bot sich dann noch die Gelegenheit, die beeindruckende Bodenmonolithensammlung zu besichtigen – mit rund 80 Exponaten eine der grössten Sammlungen dieser Art in der Schweiz.

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Am Nachmittag hatten wir, die Gelegenheit, uns direkt ein Bild von den am Morgen vorgestellten Projekten und deren Feldversuche zu machen. Diese sind alle auf dem Gelände der Agroscope und der Hochschule Westschweiz in Changins angelegt sind.
 

Im «VigneSol»-Projekt werden, in Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Westschweiz, dem FiBL, der HEPIA und Agroscope den Einfluss verschiedener Bewirtschaftungsmethoden im Weinbau im Hinblick auf Boden und Rebe untersucht. Im Weinbau hat sich in den letzten Jahren ein deutlicher Wandel in der Bewirtschaftungsweise vollzogen. Während früher jedes konkurrenzierende Kraut rigoros aus den Weinbergen entfernt wurde, verzichten heute immer mehr Winzerinnen und Winzer auf Herbizide und intensive Bodenbearbeitung. Zwischen den Rebzeilen blüht es inzwischen, was nicht nur der Biodiversität zugutekommt, sondern auch dem Boden: Die Begrünung reduziert das Erosionsrisiko und verringert die Verdunstung, was sich angesichts zunehmender Wasserknappheit als besonders wertvoll erweist.

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Verdichtungen von Ober- und Unterboden im Zuge von Bauprojekten sind leider eine Realität. Die negativen Konsequenzen verdichteter Böden sind gut erforscht, jedoch bestehen noch Wissenslücken bezüglich der Zeitskalen und Möglichkeiten zur Sanierung solcher Böden. Im Projekt «ROCSUB» (Restoration of Compacted SUBsoil) untersucht Agroscope den Einfluss verschiedener Massnahmen zur Sanierung verdichteter Unterböden. So führte ein fünf Jahre zurückliegendes Aushubdepot zu einer Verdichtung des Unterbodens bis in eine Tiefe von 70 cm. In einem Versuchsaufbau mit 36 Parzellen wird nun die Wirksamkeit von mechanischer Lockerung und verschiedener Vegetationen getestet. Neben Dauergrünland und Ackerkultur werden auch Weidebäume eingesetzt. Mechanische Lockerung kann die Drainagefunktion eines Bodens schnell wiederherstellen, jedoch bleibt der Wasserhaushalt gestört, was sich in einer geringeren Wasserhaltekapazität äussert. Am vielversprechendsten scheint hier die Kombination aus mechanischer Lockerung und einer anschliessenden Folgebewirtschaftung mit Weidebäumen.

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Das Forschungsprojekt «INTRANT» untersucht, ob sich durch den Einsatz von Holzschnitzelresten Synergien zwischen Forst- und Landwirtschaft schaffen lassen. Die Idee ist, Holzreste aus der Forstwirtschaft wiederzuverwenden, um den organischen Gehalt von Böden zu erhöhen. Erste Ergebnisse zeigen jedoch, dass sich der Herbizideinsatz durch diese Massnahme nicht reduzieren lässt und auch die Erträge nicht steigen. Zwar führt die Zugabe der Holzreste zu einem kurzfristigen Anstieg des organischen Bodenanteils, doch lässt sich bislang noch kein Fazit zur langfristigen Kohlenstofffixierung ziehen.

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Nebenbei durften wir auch noch die neue BodenDok und die erweiterte Spatenprobe ausprobieren. Die Spatenprobe bleibt eine bewährte Feldmethode zur Ansprache von Bodeneigenschaften. Dank der neuen App lassen sich die Beobachtungen nun ausführlich festhalten. Auch der Einsatz von Infrarotspektrometrie im Feld konnte ausprobiert werden.

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Nach einem intensiven Tag im Feld endete das Programm mit drei Impulsvorträgen zur Wissensvermittlung in der Bodenkunde. Der erste Vortrag stellte das Konzept des „flipped classroom“ vor, das traditionelle Vorlesungen durch eine aktivere Lernmethode ersetzt. Anstatt den Stoff passiv im Hörsaal aufzunehmen, bereiten sich Studierende mithilfe von Videomaterial vor, sodass die eigentliche Lehrveranstaltung für vertiefende Diskussionen und Übungen genutzt werden kann. Diese Methode soll das Verständnis fördern und den Lernprozess interaktiver gestalten.
 

Ein weiteres Thema war die bessere Integration der Bodenkunde in den Schulunterricht. Die digitale Plattform Bodennetz bietet Lehrpersonen Unterstützung, indem sie eine zentrale Übersicht über Methoden für Feldpraktika sowie passende Lernmaterialien bereitstellt. Die Plattform wächst stetig, wird sprachübergreifend weiterentwickelt und soll Bodenkunde für Lehrkräfte zugänglicher machen.
 

Der dritte Vortrag widmete sich der praktischen Ausbildung in der Bodenkartierung, die bisher hauptsächlich durch berufsbegleitende Kurse oder durch praktische Erfahrung in Kartierbüros erlernt wird. Da ein strukturiertes Ausbildungskonzept fehlt, wurde die Idee von Schulungsgebieten vorgestellt, in denen angehende Kartierer:innen unter fachkundiger Anleitung gezielt praktische Kompetenzen erwerben können. Dies könnte dem steigenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften begegnen und jungen Menschen eine praxisorientierte Lernmöglichkeit bieten.
 

Das Thema fand auch im Publikum grossen Anklang. Einige Teilnehmer betonten, dass in privaten Büros sowohl die Erfahrung als auch die Bereitschaft vorhanden sei, Wissen durch Coaching weiterzugeben. Häufig stehen jedoch auch private Unternehmen vor der Herausforderung, über Jahre aufgebautes Wissen effektiv weiterzugeben. Die Zusammenarbeit mit Experten in Schulungsprogrammen könnte hier einen wertvollen Kompromiss darstellen, wobei private Büros als Multiplikatoren fungieren könnten. Auch kantonale und regionale Verbände wie der CercleSol begrüssten diese Idee. Ein Teilnehmer fasste das zugrunde liegende Problem schliesslich treffend zusammen: In der Schweiz fehlt bislang eine zentrale Institution, die sich der Vermittlung bodenkundlichen Wissens widmet. Vor dem Abendessen konnte daher noch keine abschliessende Lösung für dieses Problem gefunden werden – eine gute Gelegenheit, mit Gesprächsstoff zum Abendessen zu gehen.

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Der zweite Exkursionstag begann im Arboretum an der Aubonne. Gemeinsam mit der HEPIA entwickelt das Reservat derzeit einen Bodenlehrpfad, der sowohl den Besuchern als auch den Studierenden der Hochschule zugänglich sein soll. Letztere besuchen den Park bereits regelmässig, um ihre Artenkenntnisse zu vertiefen. Ein Profil, das seit 2012 in einem Waldstück unter Fichten- und Kastanienbäumen liegt, ist bereits öffentlich zugänglich und wird regelmässig von den Studierenden genutzt. Ophelie Sauzet (HEPIA) zeigte uns ihren Ansatz, wie sie den Studierenden die Klassifikation von Böden näherbringt. In den ersten Vorlesungen stellt sie die noch unerfahrenen Studierenden einfach ins Profil und gibt ihnen den Auftrag, den Boden zu beobachten und zu erforschen. Unvoreingenommen von Klassifikationsschlüsseln entwickeln die Studierenden so im wahrsten Sinne des Wortes ein Gefühl für den Boden.

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An der HEPIA lernen die Studierenden nicht nur die Bodenklassifikation an einem herkömmlichen Profil, sondern auch die Ansprache eines sogenannten Ackerprofils. Zwei dieser Ackerprofile wurden  am nächsten Posten besucht. Diese sind, im Vergleich zu klassischen Bodenprofilen, deutlich in die Breite gestreckt und bilden somit einen Querschnitt durch einen Acker. Durch diese Stratifikation in die Breite werden die Auswirkungen der Bearbeitung klarer ersichtlich. Etwa ein gepflügter Horizont unter dem Saatbeet oder überdeckte Fahrspuren. Die Studierenden üben nicht nur die klassische Profilansprache, sondern können auch direkt beobachten, wie sich die Bearbeitung auf den Bodenaufbau auswirkt und den Landwirten und Landwirtinnen bodenbezogene Empfehlungen zur Bodenbearbeitung geben.

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Kurz vor dem Mittagessen folgte dann die letzte Reise mit dem Bus zum Campus der Universität Lausanne, wo wir am Nachmittag den abschliessenden Teil der Exkursion verbrachten. Tobias Sprafke stellte und zunächst das Projekt SOILSCAPE vor. Es handelt sich um ein Horizon-Projekt, in welchem interdisziplinär zwischen Kunst- und Kulturschaffenden sowie öffentlichen Institutionen. Koordiniert von der Französischen Bodenkundlichen Gesellschaft will das Projekt gezielt die «soil literacy», zu Deutsch Bodenkompetenz von Personen fördern und dem Bodenschutz eine Plattform geben. In der Schweiz wird das SOILSCAPE-Projekt durch die Berner Fachhochschule HAFL vertreten, die mit einem Bodenlehrpfad den Boden für die breite Bevölkerung sichtbar machen will.

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Die Universität unterhält im Wald neben dem Campus einen Lehrpfad im Rahmen des SWISSOIL-Projekts. Einerseits bietet sich dadurch für Studierende die Gelegenheit in direkter Nähe zum Campus Böden in direkter Nähe zum Ausbildungsort anzusprechen. Darüber hinaus wird das Projekt aktiv von Studierenden unterhalten und stetig weiterentwickelt. Nicht weniger als sieben Profile wurden dadurch bereits von mehreren Generationen von Studierenden erfasst und auf einer Webseite veröffentlicht. Auf der Webseite werden diverse Aspekte der bodenkundlichen Arbeit hervorgehoben, so etwa die standortspezifischen Informationen, die umgebende Biodiversität und Bodenkarten der Region. Nach der Vorstellung des Projekts durch Stéphanie Grand, ging es dann zum letzten Mal auf der Exkursion nach draussen den zwei letzten Profilen

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Am ersten Standort stiessen wir auf ein Profil, das auf den ersten Blick braunerdig erscheint, aber schnell zu einem echten «Headscratcher» wird. Nicht nur die Klassifikation des Bodens stösst hier an ihre Grenzen, auch die Erklärungen zur Entstehung dieses Bodentyps gestaltet sich schwierg.  Ab einer Tiefe von 70 Zentimetern trifft man auf feinen Kies, was zunächst auf das Ausgangsgestein hindeuten würde. Doch der Bruch im Profilaufbau stammt von einer lokalen Ablagerung aus der letzten Eiszeit. Im Gegensatz zum darüberliegenden Boden enthält diese Schicht einen hohen Gehalt an Karbonaten, was den Boden klassifikatorisch zu einer Kalkbraunerde macht.

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Nicht weniger komplex ist der Aufbau des zweiten Profils. Im unteren Bereich sind in der kompakten Struktur Vernässungsmerkmale erkennbar. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zu einem Bach lässt sich hier von einem pseudogleyigen Fluvisol ausgehen. Darüber ist jedoch eine scharf abgegrenzte Schicht sichtbar, die verdichtet ist und von Blöcken sowie Kieselsteinen durchzogen wird. Der Bach hat hier zwar einen Boden gebildet, aber auch der Mensch hat erheblich in den Bodenaufbau eingegriffen. Beim Bau der angrenzenden Strasse wurde Aushub- und Abbruchmaterial deponiert, wodurch der Boden in der oberen Hälfte aufgeschüttet wurde.

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Die beiden Profile zeigen gut auf, dass Böden in der Realität häufig doch anders aufgebaut sind, als man es in einem Studium lernt. Die korrekte Ansprache erfordert also Erfahrung, die erst mit der Zeit und nach einigen Ansprachen kommt. Es ist somit nicht erstaunlich, dass sich angehende Kartiererinnen und Kartierer in ihrer Ausbildung eine Betreuung durch erfahrene Personen wünschen. Auf dieser Exkursion konnten wir uns überzeugen, dass an den Hochschulen eine solide Grundlage vermittelt wird und kompetente Personen ausgebildet werden. Diese Fachkräfte werden eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, fundierte Daten zu sammeln und die Qualität unserer Böden zu bewahren. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, müssen wir weiterhin auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung setzen, die sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Erfahrung in der Bodenkartierung umfasst.

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